Gut 20.000 Besucher genossen am Wochenende das 3. Lichtkunst-Festival in der Weilheimer Altstadt. Die beiden Abende verliefen ebenso friedlich wie fröhlich, die Beteiligten zeigten sich überglücklich.
Weilheim – Pünktlich zum Auftakt setzte der Nieselregen ein. Aber der konnte rund um den Marienplatz nun wirklich niemandem die Laune verderben. Freitagabend war noch der ruhigere der beiden Festival-Abende, doch pilgerten bereits um die 8000 Menschen in die für Autos gesperrte Altstadt. Spürbar war ihre Vorfreude, Weilheim mal wieder in anderem Licht zu erleben – und auf ein Gemeinschaftserlebnis mitten in der Stadt.
Das Verbindende rückte auch Philipp Geist, künstlerischer Leiter des Festivals, in den Fokus seiner Installation auf dem Marienplatz. Wenngleich er diesmal nicht, wie bei den ersten Festivals 2016 und 2018, die Besucher selbst ins Licht eintauchte, ließ seine Projektion „WIR – Weilheim“ viele Gesichter dieser Stadt aufscheinen. Auf den Fassaden des Stadtmuseums, des Kirchturms und die angrenzenden Gebäude von Hotel, Parfümerie und Kofferladen verwob Geist seine eigene abstrakte Malerei mit historischen und heutigen Porträts von Weilheimern. In der zugehörigen Soundcollage von Lukas Taido waren auch deren Stimmen zu hören. Dazu hatte der Berliner Musiker experimentelle Klangflächen komponiert, die rund 30 Mitglieder des Weilheimer Chorkreises, ganz in Weiß gewandet, dreimal pro Abend live sangen. Ein packendes Gesamtkunstwerk auf dem meist randvollen Marienplatz, „ein tolles Erlebnis“ auch für den Chorkreis, wie Leiterin Elisabeth Reitzer resümierte: „Jeder Sänger mit Kopfhörer und Mikrofon, das war etwas ganz Neues für uns – eine coole Sache, dieses Projekt.“
Noch farbvoller und zugleich statischer war, was die Wienerin Teresa Mar wenige Schritte weiter auf die Musikschule, Weilheims einstiges Gefängnis, zauberte: Die Denkmalfassade wurde quasi zur Riesenleinwand für ihre so fantasie- wie geheimnisvollen Malereien unter dem Titel „Radiance“ („Strahlen“). Als einzige der vier weltweit tätigen Lichtkunst-Acts, die dieses Festival versammelte, arbeitete Mar in ihrer Projektion ohne Bewegung. Das schuf und erforderte zugleich etwas Ruhe. Man musste sich einlassen auf diese Bilder – oder zog recht rasch wieder weiter.
Unmittelbarer erfassten die tanzenden LED-Röhren, die der Belgier Romain Tardy in den „Garten der Freundschaft“ an der Stadtmauer gesetzt hatte. Klare Linien, null Farbe, dafür viel Raum- und Rhythmus-Erlebnis: Diese „Future Ruins – Act II“, wesentlich unterstützt von der treibenden Musik des Projekts „Before Tigers“, kündeten von der Kunst des Minimalismus. Volle Breitwand dagegen boten die „ruestungsschmie.de“ an der Jahnhalle: Deren schnöde Betonfassade nutzten die beiden Architekten und Künstler aus Dresden für ihr technohaftes Videomapping „XYZ³“. Das wirkte wie „Rammstein“ in Lichtkunst – „opulent-brachial“, so die Beschreibung von Philipp Geist im fast 100-seitigen, nicht minder opulenten Festivalkatalog.
Wer Erläuterungen suchte zu den Installationen, fand sie auch bei Künstlergesprächen und Vorträgen. Am Freitag diente das Stadttheater, vom Münchner Künstler Julian Mayer in sattes Rot getaucht, als Ort dafür. Dort ging auch die festliche Eröffnung mit Machern, Sponsoren, geladenen Gästen und großem Dankeschön über die Bühne. Ein Dutzend Ehrenamtlicher hatte „Lichtkunst Weilheim – Festival #3“ ein Jahr lang vorbereitet. 80 freiwillige Helfer waren an den Festivaltagen hinzugekommen. Ohne sie, die sichtlich für die Sache brennen, wäre dieses Event nicht möglich. Ohne Geldgeber freilich auch nicht. Von der Technik über Versicherungen und tausenderlei Anforderungen bis zur Security die ganze Nacht: Laut Ragnhild Thieler, Kulturreferentin der Stadt und 1. Vorsitzende des Lichtkunstvereins, schlägt das Festival mit rund 120 000 Euro zu Buche. Etwa die Hälfte sind Zuschüsse der öffentlichen Hand, der Rest Sponsorengelder und Spenden.
Viel besuchtes Festivalzentrum war der „ZwischenRaum“ am Kirchplatz, wo Thieler am späten Samstagabend „müde, aber glücklich“ erste Bilanz zog. „Es war wieder ein Fest für Jung und Alt und sehr, sehr friedlich“, freute sich die Vorsitzende. Letzteres bestätigten am gestrigen Sonntag auch Weilheims Polizei und Festivalleiter Günter Morsack. Auch wenn es am Samstagabend mit gut 12.000 Besuchern stellenweise eng wurde um den Marienplatz: „Keinerlei Vorkommnisse, kein Eingreifen nötig, alles super gelaufen“, so Morsack gegenüber unserer Zeitung. Heute gebe es noch letzte Abbau-Arbeiten, bald werde man im Vorstand die noch frischen Eindrücke diskutieren und danach „ein bisschen runterfahren“ – um bald weiter zu planen: Für 2023 ist eine „Lichtbrücke“ in Kooperation mit „Brücke Oberland“ geplant, 2025 dann das nächste Lichtkunst-Festival.
Ob ein solches in Zeiten von Krieg und Energiespar-Appellen gerechtfertigt sei, das war im Vorfeld oft gefragt worden. Rund 20.000 Besucher gaben nun eine überzeugende Antwort – mit ihrem Kommen, ihrem Staunen und ihrem rundum harmonischen Feiern, das heimische Gastwirte auch mit Ständen an der Pöltnerstraße und auf dem Kirchplatz ermöglichten. Der Energieverbrauch des Festivals –er entspricht laut Veranstalter dem Bedarf von 15 Elektroautos, die je 100 Kilometer fahren – hätte keinesfalls eine Absage gerechtfertigt, meint auch Bürgermeister Markus Loth. Und fügt in seinem Grußwort an: „Die Kunst braucht das Licht. Um sichtbar zu bleiben, um leuchten zu können, um das Leben heller zu machen. Gerade in etwas dunkleren Zeiten.“ Dass Weilheim wieder ein Wochenende leuchtete, war wohl nie wichtiger als in diesen Tagen.
im „ZwischenRaum“ (u.a. „Lichterbaum“ der Mittelschule Weilheim, bis Ende Oktober) und im Stadtmuseum (bis 12. November: Di-Sa 10-17 Uhr) sind weiter Lichtkunstwerke zu sehen.