Versteigerung: Marine verhökert die Fregatte "Niedersachsen" an den Höchstbietenden | STERN.de

2022-10-13 09:02:23 By : Ms. Laura Huang

Die Vebeg, eine bundeseigene Treuhandgesellschaft zur Verwertung von Eigentum des Bundes, versteigert nicht mehr benötigtes Gerät des Staates. Dort kann man ganz normale Autos kaufen, aber auch Feuerwehren und Militär-Lkws, Büroeinrichtungen und Anlagen zur Kanalinspektion.

Doch nun ist ein ganz besonderes Stück im Angebot. Die Marine versteigert per Gebot eine ausgewachsene Fregatte.

Die "Niedersachsen", die nun den Besitzer wechseln soll, gehört zur Bremen-Klasse. Die Fregatten dieser Klasse waren die ersten expliziten Lenkwaffen-Schiffe der Bundeswehr.  Ab 1982 wurden acht Schiffe des Typs in Dienst gestellt, die "Niedersachsen" war das zweite Modell.

Die Fregatten waren Kinder des Kalten Krieges. Die Mehrzweckkampfschiffe waren mit Lenkwaffen ausgerüstet und sollten vor allem die Nachschublinien über den Atlantik vor sowjetischen U-Booten schützen. Dazu hatten sie auch zwei Hubschrauber vom Typ Sea Lynx an Bord. Nach dem Ende der Sowjetunion wurden die Schiffe für verschiedene Aufgaben benutzt. Die "Arbeitspferde" nahmen an fast allen Einsätzen der Marine teil. Mangels eines modern ausgerüsteten Gegners fiel es nicht weiter auf, dass die Ausrüstung der Schiffe trotz einiger Modernisierungen zusehends veraltete. 2014 hatte die "Niedersachsen" ihren letzten aktiven Einsatz (Operation Active Endeavour) und eine ehrenvollen Abschiedstour mit Liegeplatz vor dem Tower von London. Zum Jahresende 2014 wurde sie aus der Bereitschaft genommen, im Juni 2015 wurde sie endgültig außer Dienst gestellt.

Und nun ist sie beim Restehöker des Bundes gelandet, der Vebeg. Die Fregatte ist immerhin 130 Meter lang und verdrängt 3680 Tonnen. Bei der Vebeg kann beinahe jedermann Bundeseigentum ersteigern. Einzige Voraussetzung: Mit dem 01. Januar 2022 benötigt man bei der Vebeg einen Gewerbeschein, ganz egal, ob man Panzer oder nur Essbesteck ersteigern möchte. Die Garantie und Haftungsregeln der EU machen den Verkauf der Altbestände an Privatpersonen praktisch unmöglich.

Und auch bei der "Niedersachsen" gibt es keinerlei Garantie, dass irgendetwas an Bord noch funktioniert. Sie wird aber nur zum Zwecke der Verschrottung und der Demilitarisierung verkauft. Die Drehringe der Artillerie, der Torpedowaffen und der Raketenwerfer müssen zerstört werden, ebenso die Leck-, Bilgen- und Ballastwasseranlagen. Selbst der Rumpf darf nicht erhalten werden.

Mitbieten dürfen daher nur entsprechend tätige Firmen mit Sitz in der EU oder der Türkei. Am 13. Januar lädt die Vebeg zur Besichtigung ein. Marine-Enthusiasten müssen nicht traurig sein, für einen leicht verrückten Schiffsliebhaber dürfte die "Niedersachsen" schlicht zu teuer im Unterhalt sein.

© G+J Medien GmbH

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