Essen ist nicht gerade arm an ehemaligen Fabrikgebäuden. Dass jedoch Lautsprecher der bekanntesten HiFi-Marken in einer von ihnen ihren Anfang nehmen, wissen die wenigsten. Fink Audio Consulting: Noch nie gehört? Marantz, Denon, Q Acoustics, Mission, Wharfedale… Die Liste von Firmen, die Karl-Heinz Fink in seiner Karriere beraten hat lässt sich beliebig lang fortsetzen.
Karl-Heinz und seine Firma Fink Audio Consulting lässt die Klangvorstellungen seiner Klienten Wirklichkeit werden. Je nach Auftrag auch schon mal auf vier Rädern. Denn Karl-Heinz Fink ist einer der weltweit führenden Köpfe, wenn es um Entwicklung und Design von Lautsprechern geht. Wie viele Lautsprecher Fink Audio Consulting in den letzten 40 Jahren mitgestaltet hat, weiß vermutlich nur der Chef selbst. Denn über viele Projekte und Kunden muss er schweigen.
Was den idealen Lautsprecher ausmacht, warum es ihn nicht geben kann und wie man in Essen versucht, dem Ideal so nahe wie möglich zu kommen, haben wir bei Fink Audio Consulting in Erfahrung gebracht. Ein Spoiler sei erlaubt: Es braucht viel Versuch und Irrtum, Mut zum Neuanfang … und Laser!
Karl-Heinz Fink war auch bereits Gast in unserem HiFi-Podcast kHz & Bitgeflüster. Hier kannst du gleich in die Folge reinhören:
Den Gang zu Karl-Heinz Finks Büro schmücken E-Gitarren. 18 Stück zählen wir. Im eigentlichen Büro steht ein weiteres Dutzend, die meisten hat Karl-Heinz aber zuhause. Zu jeder Gitarre kann er eine eigene Geschichte erzählen. Die meisten handeln von Umbauten, neuverleimten Hälsen und getunten Pickups. Optimierungen für den besten Klang. Hobby? Beruf? Leidenschaft? Die Unterscheidung ist hier nicht ganz eindeutig. Auch bei seinen Aufträgen belässt es das Fink Team nicht bei Althergebrachtem. Meistens fängt ein neuer Lautsprecher mit Überlegungen zum Gehäuse an. Soll es sich um einen Standlautsprecher oder eine Regalbox handeln? Wie groß? Wie viele Treiber?
Bevor auch nur ein einziges Brett zugesägt wird, steht eine akribische Planungsphase an. Karl-Heinz und sein Team nehmen sich alle Parameter des zukünftigen Lautsprechers vor und erstellen auf deren Grundlage ein digitales 3D-Modell. An diesem wird dann simuliert, wie das Gehäuse auf verschiedene Treiber und Frequenzen reagiert. Wenn sich der Treiber – also die Membran und ihr Antrieb – bewegt, entstehen Kräfte, die nicht nur die Luft vor dem Lautsprecher in Schwingungen versetzt, sondern auch in seinem Inneren.
Auch das Gehäuse selbst wird zum Schwingen angeregt und kann dadurch den Klang beeinträchtigen. Die Simulation am Computer macht die Druckverhältnisse im Inneren und die besonders beanspruchte Bereiche der Gehäuswände sichtbar. So findet Karl-Heinz zum Beispiel heraus, wo später das Bassreflexrohr sitzen muss und wo das Gehäuse versteift werden soll.
Auch die Frequenzweiche entsteht zunächst rein virtuell im Rechner. Sie soll in der fertigen Box die Signale zum passenden Treiber schicken. In einem weiteren Simulations-Programm werden elektronische Bauteile so kombiniert, dass im fertigen Lautsprecher die einzelnen Treiber optimal zusammenarbeiten.
Früher war das mit viel Ausprobieren und Löten von echten Bauteilen verbunden. Heute reicht ein Klick auf den Schaltkreis und ein Teil wird aus der Gleichung entfernt. Im Frequenzgang macht sich das dann zum Beispiel durch eine Anhebung des Bassbereichs bemerkbar. Ist diese nicht gewollt, macht der nächste Mausklick alles einfach wieder rückgängig.
Mit bloßen Simulationen gibt sich das Team von Karl-Heinz Fink jedoch nicht zufrieden. Im nächsten Schritt werden Prototypen des Gehäuses und der Treiber gebaut. Gemeinsam und getrennt durchlaufen diese verschiedene Tests, bei denen die Bestandteile mit hochsensiblem Equipment vermessen werden.
Das Laser-Messgerät von Klippel ist bei Fink Audio Consulting ein Standard-Werkzeug. Mit ihm wird jeder Treiber im Betrieb genauestens vermessen. Die Laser-Abtastung macht deutlich, ob die Membran so gleichmäßig schwingt, wie sie soll.
Die Laser-Analyse zeigt Bereiche auf, an denen die Membran verstärkt werden muss. So kam zum Beispiel der Tiefmitteltöner der Wharfedale Diamond 12.2 zu seinen markanten Rippen.
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Ähnlich verfährt das Team von Karl-Heinz Fink bei den Gehäusen. Dafür besitzt Fink Audio Consulting ein sehr spezielles Mess-Instrument. Das so genannte Laser Vibrometer vermisst den Prototypen im Betrieb. Dabei wird jede noch so kleine Schwingung des Gehäuses aufgezeichnet. Die Ergebnisse der Computersimulation werden so in der Praxis überprüft und präzisiert. Schonungslos offenbart der teure Scanner, an welchen Stellen das Gehäuse über Gebühr mitschwingt und deshalb zusätzliche Versteifungen benötigt. Fink Audio Consulting ist einer von zwei Orten in Deutschland, wo ein solcher Scanner zur Analyse von Lautsprecher-Gehäusen genutzt wird. Darauf ist man in Essen spürbar stolz.
Wie es sich für Audiotechniker von Rang und Namen gehört, gibt es auch beim Fink Team einen resonanzarmen Raum. Die Schaumstoffdreiecke an den Wänden sollen den Schall schlucken, ehe es zu Reflexionen oder gar einem Echo kommen kann. Das erleichtert die Messung des Direktschalls, also des Schalls, der direkt vom Lautsprecher ausgeht, bevor er von Wänden oder Ähnlichem zurückgeworfen wurde.
Fink verrät jedoch, dass der schallarme Raum immer weniger genutzt wird. Simulation und moderne Messtechnik machen die Lautsprecher-Entwicklung einfacher, schneller und genauer. In einem weiteren steht eine weitere Apparatur, der Near Field Scanner: Ein großer, schlanker Roboterarm mit einem Richtmikrofon. Auf dem Stativ davor: Ein Lautsprecher.
Der Roboter bewegt das Mikrofon auf exakt vorbestimmten Bahnen um den Lautsprecher herum. An unzähligen Messpunkten wird die vom Lautsprecher abgestrahlte Schallenergie gemessen. Am Ende der achtstündigen Prozedur wissen Karl-Heinz und seine Techniker genau, wie sich der Schall um die Box herum ausbreitet. Auslöschungen, Kantenbrechungen oder sonstige Probleme sind so in einer Genauigkeit erkennbar, wie es mit weniger aufwendigen Messungen nicht möglich wäre.
Die einzelnen Messimpulse sind dabei so kurz, dass die Software des Scanners den Direktschall von Reflexionen unterscheiden kann. Es braucht also keinen schallarmen Raum mehr, um ein verwertbares Ergebnis zu erhalten. Dieser kommt deswegen immer seltener zum Einsatz.
Karl-Heinz Fink weiß, dass Mammutprojekte wie die Entwicklung von Lautsprechern nicht im Alleingang zu bewerkstelligen sind und umgibt sich daher mit einem Team aus Profis. Neben seinen Aufgaben als Betriebsleiter kümmert sich Norbert Theisges auch um die Gehäusefertigung in der eigenen Tischlerei.
Dort entstehen übrigens seit kurzem auch eigene Produkte. Unter dem Markennamen Fink Team vertreibt das Unternehmen zwei extrem aufwendige Lautsprecher namens Kim und Borg.
Das Team von Fink lässt sich grob in theoretische und praktische Abteilung unterteilen. Die erste besteht aus jungen, von Karl-Heinz handverlesenen IT- und Tontechnik-Profis, die für die Simulationen und die Messungen verantwortlich sind. Die praktische Abteilung verwirklicht die vorher berechneten Gehäuse, Chassis und Frequenzweichen.
In der Werkstatt glänzen hochreine Kupferspulen, Frequenzweichen stehen wie Miniatur-Syklines Spalier. Ein Stockwerk tiefer wird gerade eine Fink Team Kim zusammengesetzt. Die innere Polsterung ist schon an ihrem Platz, aus dem Loch für den Tiefmitteltöner lugt die grüne Frequenzweiche.
Die Endmontage erfolgt komplett von Hand. Stolz werden uns sogar die Schrauben präsentiert, mit denen der AMT-Hochtöner befestigt wird. Sie stecken in einer Gummihülle, die sich beim Festschrauben wie ein Hohlraumdübel auseinanderspreizt. Die so komprimierte Gummierung sorgt für eine entkoppelte Aufhängung des Hochtöners. Daher muss jede Schraube exakt gleich fest angezogen werden.
Die Gehäuse beider Lautsprecher entstehen in einer Tischlerei in Rommerskirchen. Auch hier wird ein enormer Aufwand betrieben, um jeder Box einen möglichst stabilen und gut klingenden Körper zu geben. Der Besuch vor Ort zeigt eindrucksvoll, wie die vorher am Computer und in etlichen Messstunden gesammelten Daten zu einem fertigen Lautsprecher werden.
Hier ist das Reich von Bernd und Norbert. Der Einblick in die halbfertigen Lautsprecher macht deutlich, welches Augenmerk das Fink Team auf die Dämpfung und Versteifung der Gehäuse legt. Ersteres soll den im Lautsprecher entstehenden Schall unschädlich machen, während letzteres verhindern soll, dass die Wände der Box mitschwingen – egal wie laut die Musik spielt.
Ein Blick in die Kompaktbox Kim zeigt, wie viel Arbeit in ihr steckt. Zwischen der Außenwand und dem Hohlraum im Inneren liegen weitere gedämpfte Zwischenwände. Deren genaue Ausmaße wurde genau wie ihre Position vorher akribisch ausgerechnet.
Trotz des besonderen Augenmerkes, das Fink und sein Team auf präzise Messungen und Computersimulationen legt, steht am Ende das Hören im Mittelpunkt. Es mag Menschen geben, die Lautsprecher nur nach perfekten Frequenzverläufen und Messergebnissen beurteilen. Karl-Heinz gehört definitiv nicht dazu. Nach der Tour durch die verschiedenen Messlabore führt er uns in sein Allerheiligstes. Durch eine 30 cm dicke Tür betreten wir den Hörraum. Warm ist es hier. Die High-End-Elektronik ist bereits auf Betriebstemperatur.
Alles in diesem Raum ist auf guten Klang ausgerichtet. Über die ursprünglichen Ausmaße des Raumes können wir nur Vermutungen anstellen. Kein Quadratmeter der ursprünglichen Wände oder Decke ist zu sehen. Alles ist mit Diffusoren oder Schallabsorbern unterschiedlichster Couleur bedeckt. Dicke Teppiche liegen auf dem Boden vor den perfekt ausgerichteten Lautsprechern. Laut Karl-Heinz hinge die ideale Schallquelle auf freiem Feld an einem Kran. Keine Schallreflexionen, keine Vibrationen könnten dann den Hörgenuss trüben. In geschlossenen Räumen muss man sich halt anders behelfen. Seit über 15 Jahren tüftelt Karl-Heinz an seinem Hörraum. Und das hört man!
Die angeschlossenen Lautsprecher aus unbehandelten MDF-Platten wirken etwas abenteuerlich. Ihr Korpus wird von großen Klemmzwingen gekrönt. Diese ersetzen eine interne Versteifung im Gehäuse, die später noch eingebaut werden soll. Sogar die Frequenzweiche, an der die Lautsprecherkabel enden, liegt neben dem Lautsprecher, statt in seinem Inneren zu stecken. Prototypen eben. Dann setzt die Musik ein und jeder Gedanke ist vergessen.
Ob es nun am fast perfekten Hörraum, am hochpreisigen Verstärker samt gleich großen D/A-Wandler oder an den Lautsprechern vor uns liegt, lässt sich nicht mit letzter Gewissheit sagen. Am wahrscheinlichsten bilden alle drei Faktoren eine Allianz. So oder so: Das Ergebnis ist unverschämt gut. Die Bassimpulse kommen knackig und mit viel Körper, die Sänger*innen scheinen direkt vor der Nasenspitze zu stehen und die Bühne spannt sich durch den kompletten Raum. Einzig die Obertöne scheinen einen Hauch zu fordernd zu sein. Karl-Heinz Fink nickt und sagt nichts. Haben wir den Maestro beleidigt?
Nach der Mittagspause geht es zur nächsten Hörprobe und plötzlich klingt der Hochton anders. Immer noch spritzig und voller Details, aber dennoch eine Spur weicher. Fink nickt wieder und verrät uns, dass in der Zwischenzeit ein gekauftes Bauteil der Frequenzweiche gegen eine Eigenkreation getauscht wurde. Trial-and-Error. Auch, oder gerade bei High End.
Karl-Heinz Fink lacht: „Wieder 12 Euro gespart.“ Klar, bei HiFi geht es nicht nur ums Geld. Und eine gute HiFi-Anlage muss dich nicht in den Ruin treiben, aber genau diese Experimente trennen die Spreu vom Weizen: Nicht für jedes Projekt kann man sich die Zeit nehmen, zig verschiedene Bauteile gegeneinander zu hören. Umso wichtiger ist die möglichst sorgfältige Vorbereitung per Computersimmulation. „Der Unterschied zwischen HiFi und High-End liegt darin, wie oft du nochmal von vorne anfangen kannst“, predigt Fink.
Apropos High-End: Fink Audio Consulting baut nicht bloß für andere Unternehmen Lautsprecher. Die Erkenntnisse von 40 Jahren destilliert die Firma unter dem Namen Fink Team auch in eigenen Kreationen, die für einen großen Teil der Preise im Büro-Foyer verantwortlich sind. Die zwei aktuellen Modelle sehen auf den ersten Blick etwas futuristisch aus, versprechen aber gerade durch ihre besondere Form eine ganz besondere Performance. Alles an ihnen ist darauf getrimmt, den inneren Schalldruck und die äußeren Luftströme ihrem Willen zu unterwerfen.
Der Regallautsprecher Kim sollte tunlichst auf dem mitgelieferten Ständer platziert werden. So lehnt sich der Lautsprecher etwas nach hinten, damit die Schallanteile von Hoch- und Tiefmitteltöner möglichst zeitgleich bei dir ankommen. Die große Schwester Borg kommt auch ohne Ständer aus. Interessanterweise hat der Standlautsprecher ebenfalls nur zwei Treiber. Nach unseren Erlebnissen im Hörraum zweifeln wir keine Sekunde an dem Können der beiden Fink-Kinder. Für einen Lautsprecher mit dem Emblem des Fink Teams bezahlst du jedoch auch knapp 12.000 (Kim), bzw. 30.000 Euro (Borg).
Gut, dass viele Kreationen des Fink Teams schon für weit weniger Geld zu haben sind. Angefangen hat es für Karl-Heinz Fink einst in der Boxen-Selbstbau-Szene. Jetzt ist er seit 40 Jahren im Business, hat unzählige Lautsprecherfirmen beraten und noch mehr Lautsprecher selbst mitentwickelt. Auf die abschließende Frage, ob es größere Consulting Firmen im Lautsprecher-Bereich gibt antwortet er gelassen mit „Keine Ahnung, wie groß die anderen sind. Ich bin 1,98.“
Du möchtest mehr über Karl-Heinz Fink und seine Arbeit erfahren: Dann hör‘ dir doch unseren Podcast mit ihm an:
Was sagst du zu dem betriebenen Aufwand bei Fink Audio Consulting? Was hat dich am meisten beeindruckt? Schreib es uns in den Kommentaren!
Nach zwei Jahren Pause konnte endlich die High End 2022 wieder stattfinden. Natürlich war die HIFI.DE-Redaktion für dich mit dabei: Fünf unserer Kollegen waren in München dabei.