Klipsch The Fives im Test: Hightech im Retrogewand - HIFI.DE

2022-10-09 07:44:05 By : Ms. Heny pei

Ob TV-Ton, Musik vom Plattenspieler oder einer Streaming-App: Aktivboxen wie die Klipsch The Fives sind für viele Quellen offen. Damit ersetzen sie nicht nur die konventionellen Lautsprecher, sondern gleich die (fast) gesamte Anlage. Mit 800 Euro Paarpreis gehören die Fives dabei bereits zu den gehobenen Vertretern ihrer Gattung. Wir haben im Hörraum geprüft, wieviel HiFi die im schönen Old-School-Nussbaumlook gehaltenen Kompaktmonitore ermöglichen.

Ein riesiges Volumen können die regalfreundlichen Gehäuse der The Fives nicht bieten. Und auch ihre Tieftöner gehören mit gerade mal 11 Zentimetern Korbdurchmesser noch eindeutig zu den kleineren Exemplaren. Umso erstaunlicher, welch fundamentaler Bass uns im Hörraum entgegenschlug. Wir hatten The Line Is A Curve von Kae Tempest aufgelegt: Spoken-Word-Stücke vor fetten Elektronik-Grooves. Und da fehlte schonmal rein gar nichts: Viel tiefer gehen auch ausgewachsene Standboxen nicht runter. Die gehen höchstens lauter.

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Denn natürlich ist der Maximalpegel bei dem Klipsch The Fives irgendwo begrenzt: Um echten Bass zu erzeugen, müssen die kleinen Tieftonmembranen riesige Hübe vollführen. Das führt an physikalische Grenzen. In Mietwohnungen oder WG-Zimmern wirst du diese Grenzen aber kaum erreichen, ohne zumindest auf Dauer Ärger zu bekommen. Nochmal ganz direkt: Die Pegelfähigkeiten der Fives sind größenbezogen absolut enorm.

Der Bass aus den The Fives ist nicht nur richtig tief, sondern auch sauber. Es klingt ein bisschen, als hätte jede Box ihren eigenen Mini-Subwoofer – und technisch betrachtet ist das ja auch der Fall. Der saubere Tiefton findet in klaren, fein definierten und anspringend dynamischen Höhen seinen Gegenpol. Die hornunterstützten Hochtöner arbeiten sehr verzerrungsarm, was dem System gerade bei höheren Lautstärken eine unerwartete Lässigkeit verleiht.

Beim weiteren Stöbern auf dem Redaktions-Musikserver wird schnell klar, dass sich Klipsch bei den The Fives nicht nur auf spektakulären Bass konzentriert hat. Die kleinen Lautsprecher zeigen übers gesamte Frequenzspektrum eine außergewöhnliche Dynamik, die aber nie angestrengt wirkt. Klavierbegleitung und Stimme auf Mountains On The Moon von Al DeLoner klingen blitzsauber und lösen sich wunderschön von den Lautsprechern. Kernig-präsent auch die Stimme von Gil Scott-Heron auf seinem grandiosen Alterswerk I’m New Here. Mal vor kargen elektronischen Soundscapes, dann wieder vor expansiven Soul-Arrangements, bekommt der Sänger einen enormen Realismus und erzählt mit jedem Ton seiner Stimme eine ganze Geschichte.

Die mehr als doppelt so teure Elac Navis ARB-51 wirkt im unteren Mittelton noch ausgewogener und substanzieller, bildet außerdem noch besser ab. Wobei das bei der Elac nicht überrascht – in der Klasse unter 5.000 Euro pro Paar ist sie eine der präzisesten Boxen, die es gibt. Keine Schande für die Fives also. Eher eine Ehre, überhaupt ein so würdiger Vergleichspartner zu sein.

Von preiswerteren Aktivsystemen wie der Argon Audio Fenris A5 setzt sich die Klipsch bei vergleichbarer Größe deutlich ab. Zum einen ist die Pegelfestigkeit der Amerikanerin deutlich höher. Ob sie wirklich die abenteuerlichen 109 Dezibel erreicht, die im Datenblatt stehen, haben wir nicht nachgemessen. Was aus der Klipsch an Druck herauskommt, sprengt aber alle Maßstäbe, die für so kompakte Schallwandler sonst gelten. Zum anderen wirkt die Musik mit der Fives einfach weiträumiger, unverfärbter und klarer – da muss man also nicht lange nach der Rechtfertigung für den Mehrpreis suchen.

Wie die meisten aktuellen Aktivsysteme besteht ein Paar The Fives aus einer aktiven Hauptbox und einem passiven Satelliten. Erstere enthält sämtliche Elektronik für beide Kanäle und versorgt die andere Box über ein Spezialkabel, das Bass- und Hochtonanteile bereits getrennt transportiert. Es sind also insgesamt vier Verstärker am Werk, für jeden Tief- und Hochtöner ein eigener. Wobei die Tiefton-Amps jeweils 60 Watt leisten und die Hochtonverstärker je 20 Watt. Aufgeteilt werden die Frequenzbereiche in einem digitalen Signalprozessor, der nebenbei auch Optionen wie Loudness und Klangregelung sowie eine Ortsentzerrung im Tiefton errechnet.

Da die Aufbereitung und Verstärkung der Musik komplett digital erfolgt, durchlaufen die AUX- und Phonoeingänge zunächst eine A/D-Wandlung. Klanglich merkt man davon nichts: Die analogen Eingänge klingen kaum schlechter als die digitalen, die neben dem optischen Input auch noch Bluetooth, HDMI-ARC und USB umfassen.

Anders als zum Beispiel die Argon Audio Fenris A4 ist die Klipsch The Fives Highres-fähig. Sie verarbeitet über ihre Digitaleingänge also auch Material mit mehr als CD-Auflösung. Im Hörtest liefen die Boxen anstandslos mit 24 Bit / 192 kHz-Streams. Ob man davon einen klanglichen Vorteil hat, sei dahingestellt. Entscheidend ist im Alltag eher, dass diese Formate überhaupt unterstützt werden.

Das Design der Lautsprecher zitiert die klassischen, seit über einem halben Jahrhundert nahezu unverändert gebauten großen Klipsch-Modelle aus der Heritage-Serie: schwarzer Strukturlack auf der Schallwand, unbehandeltes Walnussfurnier, Bespannungen aus grob gewobenem Jutestoff, aus Metall geprägte Firmenembleme. Ein cooler, wegen der guten Material- und Verarbeitungsqualität auch glaubwürdiger Vintage-Look.

Auch technisch ist die The Fives eine typische Klipsch – ihr großes Hochtonhorn in Tractrix-Geometrie findet sich auch in den ausgewachsenen Boxen der Amerikaner. Als Horntreiber dient eine 25 Millimeter große Titankalotte, die es dank des vorgeschalteten Trichters auf sehr hohen Wirkungsgrad bringt. Das bedeutet niedrige Verzerrungen und eine gute Impulsverarbeitung.

Durch das Horn ist der Hochtöner auch für tiefere Frequenzen geeignet als eine Kalotte ohne derartige Verstärkung. In der The Fives arbeitet er bis deutlich unter zwei Kilohertz. Die Weiche kann den stark beschäftigten Tieftöner daher entsprechend früher aus dem Spiel nehmen, was der Sauberkeit förderlich ist. Denn dessen Membran aus faserverstärktem Kunststoff vollführt im Betrieb geradezu tollkühne Auslenkungen.

Der Bass ist sehr langhubig ausgelegt und erhält von einem rückseitigen Reflexkanal weitere Unterstützung. Dass dieses Reflexrohr ebenfalls wie ein Horn geformt ist, könnte man für einen Designgag halten. Wer im Betrieb aber mal die Hand hinter die Box hält, ahnt den wahren Sinn der Trichtermündung: Sie soll Strömungsgeräusche verringern. Denn bei hohen Pegeln macht das Reflexrohr Wind wie ein Fön.

Zur Abstimmung der Bassgewalt auf deinen Hörraum startest du die „Klipsch Connect“-App auf deinem iOS- oder Android-Gerät. Das Programm kann Dinge, die du auch auf der Infrarot-Fernbedienung und direkt an der Hauptbox findest – etwa Lautstärke und Quellenwahl.

Es ermöglicht aber auch weiterführende Einstellungen in Form eines Dreiband-Equalizers und – ganz wichtig – einer Standort-Entzerrung für den Bass. Hier kannst du wählen, ob deine Lautsprecher frei, wandnah oder in der Ecke stehen. Der DSP passt den Bass dann entsprechend an. Wobei selbst die Einstellung „Ecke“ noch sehr wuchtigen Tiefton liefert und bei uns bereits für nahezu freie Aufstellung passte.

Richtig gründlich wird der Bass abgeschnitten, wenn du ein Subwooferkabel in den Ausgang an der Hauptbox steckst. Denn dann aktiviert die Klipsch ein vollständiges Sub/Sat-Bassmanagement. Die Fives spielen damit nur noch bis 80 Hertz, der Rest geht als präzise gefiltertes Mono-Summensignal an den Woofer.

Der Effekt ist atemberaubend: Mit einem guten Woofer spielen die Fives nochmal glatte zwei Klassen erwachsener, im Mittelton sauberer und knackiger sowie insgesamt dynamischer. Logisch, dass du in diesem Fall dann auch den Woofer-Pegel auf der Fernsteuerung und in der App steuern kannst – eine hochwirksame und durchdachte Upgrade-Option.

Durch ihr kompaktes Format und die reiche Ausstattung mit Eingängen ist die The Fives enorm vielseitig einsetzbar. Sie kann zum Beispiel als luxuriöser Schreibtischmonitor dienen, mit dem PC als primärer Quelle am USB-Input. Oder als hochwertiger Soundbar-Ersatz rechts und links vom TV, angeschlossen über HDMI-ARC. Oder natürlich als kompakte reine HiFi-Anlage mit einem kleinen Streamer am optischen Eingang und einem Plattenspieler via Phono oder AUX. Steht die Box in Griffweite, hast du Eingänge und Lautstärke über die beiden großen Drehwalzen auf der Oberseite jederzeit im Griff. Aus größerer Entferung steuerst du die Box mit der Infrarot-Fernbedienung oder der App.

Die App ist dabei allerdings nicht die stabilste Option: Im Test verlor sie recht häufig den Bluetooth-Kontakt zum Lautsprecher und erlangte die Kontrolle erst nach Löschen der Verbindung und erneutem Pairing wieder zurück. Wir haben sie daher nur gelegentlich für die Klangeinstellungen verwendet und im normalen Betrieb die physische Fernbedienung vorgezogen. Die ist logischerweise zuverlässig. Musikstreams über Bluetooth liefen im Test hingegen völlig problemlos – etwa aus der TIDAL-App eines iPhones. Im TV-Betrieb wiederum greift das HDMI-Steuerprotokoll: Die Fives schalten sich automatisch ein, sobald der TV startet, und gehorchen dessen Fernbedienung.

Die The Fives wird in China hergestellt, zeigt aber einen deutlich höheren Qualitätsstandard als viele andere Einsteiger-Aktivboxensets. Die Gehäuse sind aus resonanzarmem MDF geschreinert und sehr sauber furniert. Das matte, kräftig gemaserte Nussbaumholz mit der strukturlackierten, leicht zurückversetzten Schallwand sieht sehr edel aus, schon ohne und erst recht mit den tweedgrauen Abdeckungen. Neben Walnuss ist auch ein schwarzes, seidenmattes Lackfinish erhältlich – wiederum mit perfekt harmonierender Bespannung.

Ein sympathisches Detail ist auch die dünne Korkschicht, die dem Boxenboden sicheren Kontakt zum Regal ermöglicht. Das sieht allemal besser aus als die üblichen, selbstklebenden Gummifüße. Neben dem vier Meter langen Verbindungskabel liegen dem Boxenset auch eine USB-Leitung und ein HDMI-Kabel bei. Du bist mit dem Kauf also komplett ausgerüstet und musst der Fives nur noch PC, TV oder Streamer bereitstellen.

Klipsch ist einer der ältesten noch aktiven HiFi-Hersteller. Von der großen Erfahrung der Amerikaner im Bau verfärbungsarmer, hochdynamischer Hornlautsprecher profitiert auch die The Fives hörbar. Hier findest du echtes HiFi in einer coolen Retro-Verpackung, die für so viel Klang fast schon unrealistisch klein und hübsch ist.

Wie gefällt dir das Design der Klipsch The Fives? Retro-Langeweile oder cooler Oldschool-Look? Schreib es uns in die Kommentare!

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