Der Wegfall der Klinke beim iPhone 7 sorgt für viele Diskussionen - und spaltet auch die stern.de-Redaktion. Hier schreibt Christoph Fröhlich, warum es richtig war, den Kopfhöreranschluss zu streichen. Malte Mansholt dagegen ist der Meinung, dass Apples Entscheidung ein Fehler war, der vielen Nutzern vor den Kopf stößt.
Apple hat es wirklich getan: Das iPhone 7 kommt ohne Klinkenbuchse. Millionen Kopfhörer lassen sich nur noch mit einem Adapter anschließen, selbst die firmeneigenen weißen Ohrstöpsel, die durch den iPod Kultstatus erlangten. Das Netz dreht durch, doch warum eigentlich? Die Wegrationalisierung einer uralten Buchse, die wir in ihrer Grundform seit mehr als hundert Jahren nutzen, bedeutet nicht das Ende des Musikhörens - ganz im Gegenteil.
Apple hatte bekanntlich schon immer wenig Hemmungen, wenn es darum ging, industrieweite Standards zu streichen. So schmiss man die Diskette aus dem iMac, als das Format extrem populär war und wechselte zu einem Zeitpunkt auf USB-Anschlüsse, als die meisten PCs das Format noch gar nicht unterstützten. Ähnlich groß wie jetzt war das Geschrei, als Apple 2012 beim iPhone 5 den wuchtigen 30-Pin-Connector durch den schmalen Lightning-Anschluss ersetzte. Doch vier Jahre später kräht kein Hahn mehr danach.
Bei seinem Design versucht Apple stets ein Gerät mit möglichst wenigen, unterschiedlichen Anschlüssen zu entwickeln. Je simpler, desto besser, auch wenn das einige Profinutzer vor den Kopf stößt. Es ist ein Streben nach dem Ideal einer kabellosen Welt - das zeigt etwa das aktuelle Macbook, das nur noch einen einzigen(!) USB-Steckplatz bietet.
Der Verzicht auf die Klinkenbuchse ist deshalb konsequent: Zwar wird es auch in Zukunft noch Kopfhörer mit Kabeln geben, der Großteil der Industrie wird sich aber auf Bluetooth-Modelle konzentrieren, die mit fast jedem Gerät funktionieren. In dieser Hinsicht ist Bluetooth selbst dem neuen USB-C-Standard überlegen. Wohin Apple geht, dahin folgt die Industrie für gewöhnlich. Und mit Beats hat Apple die populärste Kopfhörer-Marke überhaupt im Programm.
Klar, Bluetooth ist noch alles andere als perfekt: Das Koppeln der Geräte ist kompliziert, manchmal gibt es unverständliche Verbindungsabbrüche. Und um die HiFi-Freaks abzuoholen, müsste Apple auch die hochauflösende aptX-Kodierung unterstützen. Aber die Technik wird mit jedem Jahr besser, und mit seinen jüngst vorgestellten AirPods zeigt Apple, wie komfortabel Bluetooth sein kann.
Und Apples Bekenntnis zu Bluetooth bringt auch alte Traditionshersteller in Zugzwang: Bose etwa brachte mit dem QuietComfort 35 vor wenigen Wochen seinen ersten Bluetooth-Kopfhörer mit Noise-Cancelling-Technologie auf den Markt. Er bietet einen exzellenten Sound und 25 bis 30 Stunden Akkulaufzeit. Man hat nie wieder Kabelsalat, außerdem kann man einen Kopfhörer mit mehreren Geräten koppeln (etwa Smartphone und Fernseher). Zudem sind Bluetooth-Kopfhörer erschwinglich geworden, es gibt bereits Modelle ab 25 Euro.
Wer partout nicht auf Kopfhörer mit Kabel verzichten möchte, kann sich zukünftig ein Modell mit Lightning-Kabel (oder USB-C bei Android-Phones) kaufen. Doch der geradezu explodierende Markt der Bluetooth-Lautsprecher zeigt: Die Menschen haben längst Gefallen daran gefunden, kabellos Musik zu konsumieren. Nur unterwegs, wo es eigentlich am meisten auf Flexibilität ankommt, ist die Hemmschwelle offenbar groß.
Was viele nicht wissen: Apple ist nicht das erste Unternehmen, das bei der Klinke den Rotstift ansetzt. Motorola hat das Moto Z bereits im Juni ohne Kopfhörerbuchse auf den Markt gebracht, einige chinesische Smartphones verzichten ebenfalls darauf. Und weitere Hersteller werden folgen. Denn der eingesparte Platz im Smartphone kann für neue Technik und größere Displays verwendet werden. Oder haben Sie sich nie gefragt, warum das Display meist dort aufhört, wo der Klinkenstecker anfängt? Eben. Er braucht einfach zu viel Platz.
Die Kopfhörer-Industrie steht an einem Wendepunkt, und die Übergangsphase wird geprägt sein von Frustrationen. So lassen sich etwa Apples neue Lightning-Kopfhörer nicht an MacBooks anschließen. Man wird in Zukunft immer einen Adapter herumschleppen müssen. Und wer mit Lightning-Kopfhörern Musik hören, aber gleichzeitig sein iPhone laden will, hat Pech gehabt. Auch bei Apple wird diese Phase ein paar Jahre dauern.
Der Schritt mag vor allem ärgerlich sein für jene, die viel Geld für einen Kopfhörer auf den Tisch gelegt haben, der nun nur noch mit einem klobigen Adapter an das neue iPhone passt. Doch auf lange Sicht bringt der Verzicht auf die analoge Klinkenbuchse viele Vorteile. In fünf Jahren wird man ihr keine Träne mehr nachweinen.
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