Supermodels tragen Kabelkopfhörer. Ist das ein neuer Modetrend, oder haben die Fashionistas – wie so viele von uns – einfach ihre Bluetooth-Hörer verloren?
Bella Hadid hat sich wieder verkabelt. Auch Lily Rose Depp und Zoe Kravitz wurden kürzlich mit alten weissen Kabel-Kopfhörern gesichtet. Wenn drei Supermodels sich von den Air Pods verabschieden, ist der Fall eigentlich klar. Die Fashion-Reporterin des «Wall Street Journals» erkennt darin dann auch einen neuen Trend: Zurück zum Kabel.
Ihre Begründung ist nachvollziehbar: «Air Pods haben sich zu sehr verbreitet, als dass sie noch cool wären.» In solchen Fällen greifen Fashionistas in der Regel einfach zu anderen, noch unbekannten Marken. Bei den Bluetooth-Hörern führt diese Taktik aber nicht zum gewünschten Erfolg, verschwinden sie doch fast gänzlich in der Ohrmuschel, sodass sie nahezu unsichtbar werden. Ein modisches Statement gelingt damit nicht.
Anders, wenn man sich für alte Kopfhörer entscheidet. Das weisse Kabel, das von Ohr bis Taille reicht, ist klar sichtbar, wird zum Accessoire, das das Outfit vervollständigt – und gleichzeitig dem Gegenüber signalisiert: Hier ist jemand abgekapselt, hier will jemand in Ruhe gelassen werden. Kabelkopfhörer sind wie ein «Bitte nicht stören»-Schild am Hotelzimmer. Sie sind der Beitrag der High-Fashion-Models zu Gunsten der Low-Tech-Bewegung: Back to Basic.
Kann man so sehen. Allerdings scheint mir, dass da etwas viel in ein paar alte Ohrhörer hineininterpretiert wird. Ich glaube, Hadid und Co. haben ihre Air Pods einfach verloren und es satt, ständig neue zu kaufen. Das ist der wahre Grund hinter dem vermeintlichen Trend. Ich kenne niemanden, der Air Pods hat und nicht mindestens einen der kleinen Knöpfe schon verloren hat – ausser einer, doch der nutzt auch seit 20 Jahren denselben gravierten Montblanc-Füllfederhalter. Das ist mit ein Grund wieso die kleinen Hörer Apple jährlich fast 40 Milliarden Dollar in die Kasse spülen.
Air Pods sind nichts für Schussel, nichts für Unachtsame und nichts für Lebemänner und -frauen. Von alledem habe ich etwas. Und so habe ich beschlossen, nach dem Verlust meiner Air Pods keine neuen zu kaufen. Kabel sind mir aber zu sehr von gestern. Deshalb habe ich beim chinesischen Onlinehändler Ali-Express vier verschiedene Bluetooth-Kopfhörer für 10 Franken bestellt, und bei Digitec drei für 20.
In der Summe sind die sieben Ohrhörer halb so teuer wie die neusten Air Pods (200 Franken) und sollen mich mindestens für die nächsten drei Jahre versorgen.
Als die Pakete mit viel Plastikmaterial eintrafen, packte mich das schlechte Gewissen. So viel Elektroschrott, und ich bin dafür verantwortlich! Immerhin tröstet mich der Gedanke, dass sich Air Pods nicht reparieren lassen. Zu spät kam da der Tipp eines Kollegen, dass ein Start-up unter dem Namen Relod Kopfhörer entwickelt, deren Akku einfach ausgetauscht werden kann. Das löst das Problem der defekten Batterie, nicht aber des Verlierens.
Allerdings helfen die Billig-Kopfhörer auch nicht wirklich aus der Misere. Die ersten liessen sich gar nicht mit dem Samsung-Handy koppeln, die zweiten gingen nach fünf Tagen kaputt. Die dritten klangen so schlimm, dass ich einen Hörsturz befürchtete.
Bei den meisten funktioniert zwar das Telefonieren ganz okay. Und wenn sich die Gesprächspartner über schlechte Qualität beklagen, kann man sich mit dem Satz «Ist gerade bisschen windig» aus der Patsche helfen. Einige sind zwar brauchbar, sofern man kaum Ansprüche hat.
Allerdings habe ich den Fehler gemacht, dass ich mir beim Musikhören meine 20 Jahre alten Technics-DJ-Kopfhörer aufgesetzt habe. Was für eine klangliche Offenbarung!
Nun bin ich ein bisschen ratlos, was zu tun ist: Mit klanglichen Abstrichen leben, meinen Charakter ändern und neue Air Pods kaufen – oder doch einen wahren Retro-Trend begründen?